Die fünf Sinne in Songlyrics

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Gute Lyrics sprechen eine Vielzahl von Sinnen an und verwenden Wörter kreativ. Idealerweise ziehen sie uns in den Song oder die Szenerie. Oder sorgen für einen Effekt, der uns zum Nachdenken anregt. Ideal ist es hier, wenn man auf eine eigene Datenbank an Begriffen und Szenerien zurückgreifen kann, wenn man sich im Prozess des Lyricwriting befindet. Und dies geht ganz einfach. Alles was Du hierzu benötigst, ist ein Notizblock, einen Stift- oder ein gutes Smartphone- etwas Zeit und eine gute Beobachtungsgabe.

Um unsere Lyricwriting-Skills weiter zu schärfen, müssen wir sie regelmäßig trainieren. Ebenso, wie wir unsere Muskeln benutzen müssen, wenn wir sie trainieren wollen, müssen wir am besten täglich versuchen, Situationen so gut wie nur irgendwie möglich auszukleiden. Mit situationsbezogenem Schreiben bringst du deine Songtexte auf die nächste Stufe. musikwissen.com zeigt Dir wie.



Songlyrics mit allen Sinnen beschreiben

  1. Nutze eine beliebige Situation, in der du dich befindest. Beispielsweise während du in einem Café sitzt, während du spazieren gehst, im Bus, bei der Arbeit, in der Bibliothek oder beim Einkaufen.
  2. Versuche die Situation mit allen Sinnen zu beschreiben. Wie sieht es aus? Wonach riecht es? Gibt es einen Geschmack? Wie fühlt es sich an? Was hört man?
  3. Sei dabei so spezifisch und so unspezifisch wie möglich und assoziiere Wörter.
  4. Frage dich nach der Geschichte hinter der Situation.

Diese Übung macht Spaß und man kann sie als hervorragenden „Zeitvertreib“ in Situationen nutzen, in denen man zum Beispiel wartet oder sonst in irgendeiner Art und Weise Platz für Gedanken hat.

Archiviere Deine Ideen für Songtexte

Idealerweise legst du dir einen Block oder ein kleines Heftchen an und schreibst deine Analysen täglich auf. Wenn Du ein Smartphone nutzt, kannst Du auch eine App verwenden, die die Szenarien vielleicht sogar weiter unterteilen kann. Zum Beispiel: „Situationen -> Sommer -> Park“. Oder „Personen -> Traurig -> Alte Frau auf Friedhof“.

Denn dadurch hast du schneller als du denkst einen reichen Fundus an Situationen und assoziierten Begriffen. Und auf diesem Notizbuch aufbauend, findest du mühelos gute Songplots, die du durch die assoziierten Begriffe einfach mit passenden Wörtern bereichern kannst. Und Du verwendest Wörter, die andere Sinne miteinbeziehen.

Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch. Es ist dein Notizblock. Also limitiere dich nicht und assoziiere wild drauf los. Natürlich musst du nicht unbedingt in der Szenerie sein, um die Übung durchzuführen. Allerdings wird das Resultat mindestens doppelt so gut, wenn du auch wirklich in der Szene bist. Denn viele Details gehen unter, wenn wir uns eine Szene vorstellen oder versuchen uns zu erinnern. Wenn man hingegen in der Szene ist, kann man auf jedes Detail achten und alles aufschreiben. Zudem schult man seine Beobachtungsfähigkeiten. Schon nach kurzer Zeit werden dir Dinge auffallen, die andere nicht bemerken. Wenn du beispielsweise über eine Wiese gehst und dir plötzlich all die schönen, bunten Blumen auffallen, über die du früher einfach achtlos hinweg gegangen wärst. Das kann sogar etwas Meditatives an sich haben.

Beschreibe auch nicht nur Szenerien, sondern auch Personen. Achte hier natürlich darauf, nicht wie ein verrückter Stalker zu wirken. Aber wir begegnen täglich Menschen, die alle einzigartig sind. Beschreibe wie sie aussehen. Was sie besonders macht. Haben sie Eigenarten? Siehst du vielleicht abgekaute Nägel? Wackeln sie mit den Beinen? Scheinen sie nervös zu sein? Ruhig? Betrunken? Wie äußert sich das? Was könnte ihre Geschichte sein?
Im Folgenden zur Veranschaulichung ein paar Beispiele.

Wörter für Songlyrics: Spaziergang durch den Park

  • Aussehen: Saftig-grünes Gras (viele einzelne Gräser zeigen in alle Richtungen, ergibt eine große Wiese), silber-grüne Bäume (kräftig und doch flexibel, verwurzelt, zeitlos, beobachtend), farbenfroh, frisch, Brise, friedlich, planierter Weg (grau, anders, zement, zerstörend?, Zivilisation), Allee aus Bäumen (wie auf Postkarten, Sicherheit, grüne Straße), Blumenbeete (bunt, Vielfalt, natur, schön), gold-gelbe Butterblumen (oppulent, klein, sehr viele), gelber Löwenzahn -> graue Pusteblumen -> Wind (atmosphärisch, vergänglich, Kind pustet Blume), Springbrunnen plätschert (Mann hält Kopf unter Wasser, Frau trinkt einen Schluck, Kein Trinkwasser), raufende Hunde (einer schwarz, einer weiß), ruhig fließender Bach (silber, transparent, Steine, Moos, Stromschnellen, flach, tief, Lauf, Füße zur Erfrischung ins Wasser halten), Natur (grün, frei, survival of the fittest, leben), gezähmte Natur (eingezäunt, eingepfercht, gemäht, zurechtgestutzt), saftig, kraftvoll, lebendig
  • Geruch: Frisch gemähtes Gras, Blumen, Bäume, Nachhall von Parfüm einer vorbeigehenden Dame, frischer Wind, sanfte Brise, warme Brise, Moos
  • Geräusche: Vögel zwitschern (Melodien, Liebesspiel, Frühlingsgefühle), Rasenmäher in der Ferne (Nachbarn genervt?, Hobbygärtner? Welche Person könnte das sein?), spielende Kinder (was spielen sie? Gehen sie zur Schule? Welche Träume haben sie?), Rauschen eines Bachs (wer lebt darin, was hat darin stattgefunden? woher kommt das Wasser? Wohin geht es?), Blätter rauschen in Wind (entspannend, Sonnenstrahlen finden ihren Weg, viele Blätter, ein Blätterdach), Hundegebell in der Ferne (sind sie freundlich?),
  • Gefühle: Ruhe, Frieden, Leben, Kraft schöpfen, Idylle, Sicherheit, Wärme
  • Weitere Assoziationen: Liebe, Leben, Ruhe, Kraft, Augen schließen, Vertrauen, sich hängen lassen, Frühling, Sommer, Freiheit, Spaß, Stressfrei, Einfach nur sein.

Sinne in Songlytics: Fahrt in der U-Bahn

  • Aussehen: Steril, heruntergekommen, moderne Wagen, geschäftig, ausgegilbte Kacheln, elektrische Abfahrtstafeln, große Werbeplakate mit Werbung für Virgin Atlantic, dreckiger Kachelboden, Jemand gibt Platz frei, Zeitungen auf Sitzen, Menschen die lesen, Menschen versuchen Augenkontakt zu vermeiden, Menschen halten sich beim Abfahren fest, niemand lächelt, alle mit sich selbst beschäftigt, keine Sonne
  • Geruch: Abgestandene Luft, Warme Luft, Luftzug beim Einfahren, Schweiß, Parfüm, Eau de Cologne
  • Geräusche: Durchsage (blechern, unverständlich, computer-generiert), Busker spielt „Here Comes The Sun“, einfahrende Bahn (sausen, elektrisch), gehende Menschen, Geräusch von Elektromotor, Luftzug durch die Ubahn Zuwege
  • Gefühle: Anonym unter Menschen, Viele Menschen alle allein, kleine Freundlichkeiten, in einem Fluss von Menschen
  • Weitere Assoziationen: Stress, Rushhour, keine Sonne ./. Busker spielt „Here Comes The Sun“ im künstlichen Licht unter der Erde, Emsig, Grau, Farblos, Alltag, 9-5 ./. Traumjob (haben sie sich das so vorgestellt?)

Achte hier auf die plastischen Beschreibungen in den Songlyrics:

Lyric-Ideen: Frau im Flugzeug

  • Aussehen: Dunkles, schulterlanges Haar, gepflegt, rotes Kleid, armfrei, leicht gebräunte Haut, Sommersprossen, braune Augen, kantiges Gesicht, zwischen 40 und 50 Jahre alt, Stupsnase, roter Lippenstift, dezent geschminkt, liest Zeitung, gepflegte Fingernägel (künstlich, weiß), Kopf nach vorn in Zeitung gebeugt
  • Geruch: Leichter Hauch von Süßlichkeit, nicht aufdringlich, kaum wahrnehmbar
  • Geräusche: Relativ dunkle Stimme, atmen nicht hörbar, Zeitung raschelt beim Blättern
  • Gefühle: Ruhig, auf den ersten Blick entspannt, trinkt ein Glas Wein (wegen Aufregung?), feuchte Hände sichtbar an Zeitung -> verraten Nervosität
  • Weitere Assoziationen: Introvertiert, will in Ruhe gelassen werden, ist aufgeregt, will es sich nicht anmerken lassen. War mal sehr hübsch, als sie jünger war. Reist alleine. Wohin geht sie? Woher kommt sie? Wie heißt sie? Welcher Name würde passen? Auf dem Weg zur Familie? Das erste Mal alleine im Urlaub? Hat ihre große Liebe besucht? War auf Geschäftsreise?
    Songtexte mit allen Sinnen beschreiben

Eine weitere Möglichkeit ist, sich ein Bild aufzurufen (beispielsweise über die Google Bildersuche) und dieses detailliert zu beschreiben. Dies können Bilder aus der Natur ebenso sein, wie Portraits. Frage dich in diesen Fällen was die Geschichte hinter dem Bild ist? Welche Merkmale und welche Mimik lassen einen Rückschluss auf die Geschichte zu? Deiner Fantasie sind auch hier keine Grenzen gesetzt. Es ist dein Song und deine Story.

Jeden Tag erweiterst du dein Lyric-Writing Archiv

So kommt mit der Zeit kommt ein reicher Fundus an guten Songideen zusammen. Du verfügst dann über Personenbeschreibungen, die lebendig sind. Mit diesen kann man sich als Hörer leichter identifizieren. Und gleichzeitig hast Du Situationsbeschreibungen, die ebenfalls lebendig sind. Wenn ein Song, der im Sommer spielt, von grünen Wiesen handelt, ist das nämlich gut. Wird jedoch auch der Geruch von frischgemähtem Gras erwähnt, kann sich jeder vorstellen, was für ein Duft das ist. Der Song wird sofort viel plastischer. Und wenn im Hintergrund noch das Geräusch eines Rasenmähers in der Ferne beschrieben wird, befinden wir uns als Hörer sofort in einem Sommerszenario, das wir alle kennen. Ein weiteres gutes Beispiel für einen Song, der schön beschreibt ist „Über den Wolken“.