Die Musikbranche ist nicht mehr so, wie sie mal war. Der Trend war eigentlich schon länger zu erkennen. Seit PCs mit Midi-Keyboard komplette Symphonie-Orchester ersetzen, ist ein Ruck durch die Musikbranche gegangen. Der massive Musiktausch und -diebstahl im Internet war da nur die logische Konsequenz einer durch die Technologie verursachten, voranschreitenden „Entwertung“ der Musik. Bei musikwissen.com erhältst du das Musikbusiness erklärt.
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Praxis im Musikbusiness
Lange Zeit war die Praxis im Musikbusiness ganz einfach: man nehme einen Künstler, produziere einen Tonträger und schaue, dass dieser im Laden erhältlich ist. War die Musik gut, sprach sich das schnell rum. Dann starben die Plattenläden. Und mit ihnen allmählich der Rest der Industrie.
Eigentlich begann der „Anfang vom Ende“ der Musikbranche wie wir sie bis dahin kannten mit der CD. Die CD ist nämlich das erste Medium im Massenmarkt gewesen, das die Musik digital statt analog speicherte. Da die digitale Speicherung lediglich auf Nullen und Einsen basiert, war – anders als bei Kassette und Vinyl – eine verlustfreie Kopie der Musik in Topqualität möglich.
Zwar waren Privatkopien von CD auf CD anfangs nicht sehr häufig anzutreffen, da die CD ein neues Medium war und CD-Brenner – ebenso wie PCs – zum damaligen Zeitpunkt noch mehrere tausend „Deutsche Mark“ kosteten aber wie die enormen Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung gezeigt hat, sollten CD-Brenner – und damit die verlustfreie Kopie – bald zum günstigen Standard für Home-PCs werden.
Versagen der Musikindustrie
Seitens der Musikindustrie verlangte man für die CD im Vergleich zur relativ preiswerten Herstellung horrend hohe Preise und die Gewinnmargen waren höchst profitabel. Schließlich bot die CD Musik in verlustfreier Qualität an. Die CD war also in qualitativer Hinsicht besser, als ihr Vorgänger: die Schallplatte. In Anbetracht der hohen Einnahmen war es also kein Wunder, dass man seitens der Musikindustrie das Ende der 1990er Jahre auftauchende MP3-Format erst einmal ignorierte. Never change a winning team. Oder?
Eines der Hauptargumente der Musikbranche war, dass man durch den eigenen Vertrieb von MP3s der Raubkopie ja Tür und Tor öffnen würde. Letztlich waren es aber schlichtweg organisatorische Gründe, die das MP3 als Ersatz der CD verhinderten: Die Plattenbosse schafften es nicht, eine einheitliche Plattform zum Vertrieb der Songs aller Plattenfirmen zu finden.
Jede Plattenfirma wollte „ihr eigenes Süppchen kochen“. Kaufinteressierte hätten sich also in vielen unterschiedlichen Shops einloggen müssen, um den gewünschten Song zu finden. Und das Problem war natürlich, dass der Konsument sich in den meisten Fällen reichlich wenig dafür interessierte, bei welcher Plattenfirma ein Künstler unter Vertrag war. Der Konsument wollte und will eine zentrale Anlaufstelle, bei der er alle Songs findet.
Mit dem Internet kam das File-Sharing
Ende der 1990er Jahre hatte die schnelle Internet-Flatrate die vorher gängigen Minutentaktungen im Internet abgelöst. Und dieser Umstand – in Kombination mit der MP3-Kompression- sollte die Musikbranche in ihren Grundfesten erschüttern.
Ab nun war es möglich, sich über kostenlos downloadbare Software wie Napster, Kazaa, Emule und viele weitere mehr mit anderen Nutzern zu verbinden und Musik „auszutauschen“.
Im Prinzip wurde ja aber eigentlich nichts „getauscht“, sondern eine Kopie weitergegeben. Schließlich befand sich die Datei anschließend auf beiden PCs. Außerdem berief man sich seitens der File-Sharer oft auf die sogenannte „Privatkopie“ – also eine Kopie, die – nach ordentlichem Kauf des Originals- legal an Freunde weitergeben werden darf und für die beim Verkauf von Medien (CD, PC, VHS, etc.) eine Abgabe von der GEMA vom Medienhersteller eingefordert wird.
Die Rechtsfrage war aber weitestgehend strittig. Schließlich tauschten die meisten Nutzer ja MP3s, die sie selbst von einem anderen User heruntergeladen hatten, der seine vermutlich wiederum von einem anderen User heruntergeladen hatte. Und so weiter. Käufer war von den genannten also keiner gewesen. Und wer eine Privatkopie von einer Privatkopie machte, die er selbst erhalten hatte, konnte nicht behaupten, lediglich einem Freund eine Kopie einer legitim gekauften Musikaufnahme zu überlassen.
Die Plattenfirmen reagierten mit Lobby-Arbeit – also politischem Druck für zeitgemäßeren Urheberrechtsschutz. Und führten einen Kopierschutz für ihre CDs ein. Gesetze flankierten dies. So war es dann also nicht legal, einen Kopierschutz zu umgehen.
Wie sich später jedoch herausstellen sollte, war die Einführung von Kopierschutz eher kontraproduktiv. Denn nun erhielten die zahlenden Kunden eine CD, die durch den Kopierschutz nicht immer einwandfrei auf allen Systemen funktionierte und manchmal schlichtweg den Dienst verweigerte. Und dies vor dem Hintergrund, dass im Internet weiterhin munter „getauscht“ wurde – und zwar Dateien, die ohne Probleme auf allen Systemen funktionierten und obendrein noch kostenlos erhältlich waren. Man „bestrafte“ durch den Kopierschutz also de facto den zahlenden Kunden.
Dann verklagen wir die Kunden einfach – genial!
Auch Klagen gegen die Betreiber der Tauschplattformen scheiterten auf die Gesamtsituation bezogen: Gelang es der Musikindustrie nach gewaltigen juristischen Kraftanstrengungen, an der einen Stelle eine Tauschplattform im Internet zu schließen, so schossen gleichzeitig an anderer Stelle mehrere neue Plattformen aus dem Boden. Letztlich war es sogar soweit, dass überhaupt keine zentrale Tauschplattform mehr bestand, sondern über Software, direkt von PC zu PC getauscht wurde.
In einer letzten Verzweiflungstat begannen die Plattenfirmen nun besonders aktive Nutzer der Tauschplattformen auf Schadensersatz zu verklagen. Ein Vorgehen, das von vielen Konsumenten harsch verurteilt wurde. Allerdings schien dieses Vorgehen durchaus sinnvoller zu sein, als das Auseinanderschlagen der Tauschlplattformen. Plötzlich wurde das Thema zum Gesprächsstoff. Vielen Konsumenten wurde überhaupt erst klar, dass sie mit ihrem Internettausch gegen das Gesetz verstießen und dass das Internet nicht so anonym zu sein schien, wie sie angenommen hatten.
Auch wenn diese Aktion den Tausch sicherlich etwas eindämmen konnte, blieb das Problem aber bestehen. Mit einschneidenden Konsequenzen.
Der Untergang der Plattenfirma – gut so?
Die Plattenfirmen haben deutlich an Einfluss verloren. Während sie früher das Sonnengestirn der Musikbranche waren, um das sich alle anderen Unternehmen drehten und nachdem sie sich oft zu richten hatten, so machen die Plattenverkäufe einen zunehmend kleiner werdenden Teil der Einnahmen von Künstlern und Produzenten aus.
Du musst Dir dabei vor Augen halten, dass die Plattenfirmen in ihrer Ignoranz das Internetgeschäft in einem entscheidendem Ausmaß an einen externen Konkurrenten verloren haben: Apple.
Mit dem Ipod und Apple Itunes trat der damalige Computerhersteller auch in die Musikbranche ein und schaffte, was die Plattenfirmen von sich aus nicht auf die Beine zu stellen vermochten: Eine zentrale Stelle, an der alle Songs legal downloadbar waren.
Da der Hauptgrund für die Existenz einer Plattenfirma aber die Herstellung, Vermarktung und der Verkauf von Schallplatten (oder eben CDs) war – und dies im MP3-Zeitalter nun alles auch von anderen Unternehmen übernommen werden kann, haben sich die Plattenfirmen quasi selbst aus dem Spiel bugsiert.
Apple hatte also geschafft, woran die Musikunternehmen selbst gescheitert waren. Und mit monatlichen Flatrate-Modellen und mobilem Internet kam dann mit Spotify und anderen Anbietern der entscheidende Stoß ins Herz der Musikindustrie. Independent-Labels mussten schließen. Existenzen wurden vernichtet. Und die einst mächtigen Plattenfirmen mussten umdenken. Mit den reichlichen Einnahmen aus CD-Verkäufen konnte man als Musiker praktisch vom Sofa aus Millionär werden. Heutzutage jedoch leider nicht mehr.
Braucht man heutzutage noch eine Plattenfirma?
Die Frage die bleibt, ist die, ob es nicht sogar etwas Positives hat, wenn die Marktgiganten an Einflussbereich verloren haben. Durch die neuerdings wegen der MP3- und Streaming-Technologie so schlanken Strukturen im Musikvertrieb kann nun jede Band und jeder Musiker die eigene Musik genauso anbieten, wie es eine Plattenfirma machen würde. Der Markt hat sich also liberalisiert. Dies hat mehr Vielfalt, Kunst und Muse zur Folge: Der Musiker kann seine Songs selbst in die Online-Shops einspeisen – es gibt keine Plattenfirma, die ihm hinsichtlich der Kommerzialität oder sonstigen Aspekten der Musik Vorschriften bzw. Vorschläge macht. Und Outlets wie Spotify oder YouTube Music erlauben es auch weniger kommerziellen Musikern, Fans zu gewinnen.
Andererseits verschwand so auch eine bisher relativ wirksame Qualitätsbarriere: Wenn jeder seine Musik professionell in die Musik-Shops einspeisen kann, hat dies zur Folge, dass eben auch im Allgemeinen sehr schlechte Musik zu Hauf angeboten wird. Der Konsument muss sich also durch einen Dschungel an Musik schlagen und ist darauf angewiesen, dass jemand ihm bei der Vorsortierung behilflich ist.
Die Musikbranche 2.0 scheint auch die Einkommen der Musiker nach und nach zu relativieren. Es scheint ein Ausgleich stattzufinden. Viele können wenig verdienen, statt -wie zuvor- wenige, viel. Die Wichtigkeit von Konzerttourneen und Auftritten ist gestiegen. Und der Künstler ist auch von Gönnern abhängig, die bereit sind, ihn oder sie zu unterstützen.
Was kommt auf uns zu?
Das Internet hat die Welt in so vielen Aspekten verändert, dass es Verwunderung auslöst, wenn man mal nostalgisch zurückschaut. Viele Buchläden mussten schließen. Der Einzelhandel kann mit den Online-Giganten nicht mithalten. Banken müssen sich derzeit neu erfinden, da Online Apps wie Revolut und Paypal ihnen zunehmend Konkurrenz machen. Und auch die Film- und Kinoindustrie leidet.
Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass das Internet/ World-Wide-Web noch sehr jung ist und mittlerweile Dreh und Angelpunkt vieler Unternehmen und privater Leben. Wir sind also noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen.
Musikbusiness 3.0
Die ehemaligen Plattenfirmen haben sich heutzutage weg von der Begrifflichkeit „Plattenfirma“ hin zur „Musikfirma“ entwickelt. Sie halten nicht nur die Rechte am Masterband eines Songs, sondern sehen sich eher als Investoren in Musiker. Dabei unterstützen sie diese auch mit ihren hauseigenen Verlagen, eigenen Managementunternehmen und Bookingagenturen. Im Gegenzug profitieren sie gleichzeitig auch von all diesen Unternehmenszweigen. Und nicht mehr nur vom Verkauf der Tonträger.
Gleichzeitig achten solche Musikunternehmen heutzutage auch darauf, in ein fertiges Produkt zu investieren. Jeder Musiker und jede Band können heutzutage im Internet aktiv sein und sich Fans aufbauen. Wer es dann schafft, regelmäßig Konzerte zu spielen, kann relativ schnell auch von seiner Musik leben. Ist das geschafft, hat man es deutlich einfacher, einen professionellen Partner zu finden, der einem bei der weiteren Vermarktung behilflich ist.
Abschließend
„Die Krise in der Musikbranche“ – oder „Musikbusiness 2.0“ hat für Veränderungen gesorgt. Soviel steht fest. Wir haben gesehen, wie eine elementare Säule der Musikindustrie in wenigen Jahren fast komplett weggebrochen ist. Und sich komplett umstrukturiert hat.
Andererseits steigen die Umsätze von Verlagen und Urhebern generell an. Außerdem boomt die Konzertveranstaltungsindustrie. Bookingagenten haben Konjunktur. Die Musikaufnahme ist zu einem Werbemittel für Konzerttickets geworden. Musikfernsehen und ein großer Teil an Werbung findet im Internet statt.
Das Gute an Veränderungen ist immer, dass man selbst auch mitverändern kann. Darum sei ermutigt dies zu tun. Ziehe Deine Schlüsse und wage neue Ansätze. Und vielleicht revolutionierst ja Du am Ende die Musikbranche?
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