Pop-Kadenzen

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Was Du in diesem Artikel lernst:
– Was Progressionen/ Progressions sind
– Welche Progressionen/ Progressions in der Popmusik häufig vorkommen

Als Progression bezeichnet man eine Abfolge an Akkorden, also Drei- oder Vierklängen. Klischees und Witze erwähnen immer wieder, dass dieser oder jener Popstar es mit den drei oder vier immer gleichen Akkorden zu Weltruhm gebracht hat. Und so falsch ist diese Feststellung in vielen Fällen auch nicht. Es gibt insgesamt 24 Dreiklänge und ein paar mehr Vierklänge und nicht alle passen gut klingend zueinander. Insofern liegt es in der Natur der Sache, dass sich einige Kombinationen häufiger wiederholen, als andere. Und die lernst Du jetzt kennen.

Tipp: Wenn du mit den Stufenbezeichnungen (also den römischen Zahlen, wie beispielsweise I-V-VI-IV) in der Musiktheorie nichts anfangen kannst, lies dir zuerst unseren Artikel über Dreiklänge und dort insbesondere die Überschriften „Stufendreiklänge“ und „Funktionsbezeichnungen“ durch).



Die ultimative Popkadenz: I-V-VI-IV

Die I-V-VI-IV Kadenz ist fast schon ein Hitgarant in der Popmusik. Denn die I-V-VI-IV findet sich in unzähligen Popsongs, wie Du in der Auflistung auf der rechten Seite sehen kannst. Dabei ist diese kleine stichpunktartige Liste längst nicht vollständig. Das australische Comedy-Trio „The Axis of Awesome“ hat sich in einem sehr bekannten Video damit auseinandergesetzt und kam insgesamt auf 71 Songs, der jüngeren Popgeschichte, die praktisch jeder kennt und die auf der I-V-VI-IV-Kadenz basieren, wobei hier auch Modifikationen dieser Progression mit eingeschlossen sind. Wer sich für das humorige Medley des Trios interessiert, kann sich das Video hier ansehen:

Werfen wir nun einen musiktheoretischen Blick auf die Progression: Auf der Tonika beginnend folgt die labile Dominante, die stark nach Auflösung strebt. Die Auflösung erfolgt dann sogleich durch die Tonika-Parallele, was das Ohr des Hörers fast wieder „nach Hause“ bringt und geht schließlich in die Subdominante über, die die Sektion offen lässt, da das Ohr des Hörers nicht „zu Hause“ ist, was gut ist, um Spannung aufzubauen. Diese kann dann in einer anderen Songsektion wie zum Beispiel einem Chorus, PreChorus oder Verse aufgelöst werden.

Auch wenn jetzt der Eindruck entstanden sein mag, dass diese Progression sehr abgedroschen klingen muss, solltest Du sie in Deinen Songs ruhig ausprobieren. Halte Dir immer vor Augen, dass es bei Dreiklängen und sieben Stufenakkorden eben nur 7 Akkorde gibt. Und selbst wenn man die zwölf Töne in Dur- und Moll nähme, hätte man „nur“ 24 Dreiklangsakkorde. Tonnenweise Blues- und Country-Songs basieren auf der gleichen Songform und den gleichen Akkorden und haben trotzdem genügend Abwechslung geboten, dass es nur wenigen wirklich aufgefallen wäre.

Es lohnt sich also durchaus, als Songwriter auch auf diese etablierte Progression zu setzen und sie durch eine interessante Melodie und interessanten Text aufzuwerten. Um Langeweile zu vermeiden, empfehlen wir jedoch, für andere Songsektionen auch andere Progressionen/ Kadenzen zu verwenden. Probiere es doch mal aus.

In diesen Songs kommt die I-V-VI-IV Progression u.a. vor:

  • Can you feel the love tonight
  • Take On Me
  • Complicated
  • Down Under
  • Paparazzi
  • With or Without You
  • No Woman No Cry
  • Let It Be
  • Africa
  • Where Is the Love
  • You’re Beautiful
  • Forever Young

Die 50er Jahre Popkadenz: I-VI-IV-V

Die I-VI-IV-V-Progression, die wir in diesem Artikel nun kennenlernen werden, ist auch unter dem Begriff „50er-Progression“ bekannt. Das ist deswegen der Fall, weil sie in Songs der 1950er besonders häufig vorkam und dort prägend für den Stil der Musik war. Das heißt aber keinesfalls, dass sie heutzutage keine Anwendung mehr fände, wie die Verwendung zum Beispiel im Hit „Baby“ gesungen von „Justin Bieber“ zeigt. Sie ist noch immer eine der Klassiker-Kadenzen im modernen Songwriting.

Musiktheoretisch ist sie sehr interessant, da wir hier die Tonika gefolgt von der Tonika-Parallele haben. Das Gehör wird zunächst also erstmal wenig vermissen. Darauf folgt dann die Subdominante und die Dominante, die naturgemäß nach Auflösung zur Tonika streben. So wird der Hörer auch im Abschluss dieser Progression unbefriedigt zurückgelassen, was natürlich ideal ist, um in einer folgenden Sektion (Verse, PreChorus oder Chorus) mit der Tonika zu beginnen.

In diesen Songs kommt diese Progression u.a. vor:

  • Stand By Me
  • 99 Luftballons
  • Beautiful Girl
  • Baby (Justin Bieber)
  • Eternal Flame
  • No Surprises
  • Teenagerliebe (Ärzte)
  • Earth Angel
  • Duke of Earl

Die Klassik-Kadenz: I-IV-V-(I)

In der Funktionstheorie werden die drei Dur-Dreiklänge der I., IV. und V. Stufe als Hauptdreiklänge bezeichnet. Somit liegt es nahe, dass auch eine Progression, die aus den drei Hauptdreiklängen besteht, gut klingen könnte.

Und das tut sie, wie unzählige Hits durch alle Zeiten beweisen. Von der stabilen Tonika wird der Hörer zur weniger stabilen Subdominante auf der vierten Stufe geführt. Der Hörer fühlt sich nicht „zu Hause“, was durch den Sprung auf die Dominante noch gesteigert wird. Je nach Song löst sich dieser Zustand dann unterschiedlich auf. Manchmal wird zurück zur Subdominante gesprungen, manchmal folgt auch die Tonika oder ein weiterer Takt mit der Dominanten.

Die I-IV-V-(I)-Progression klingt energiereich und positiv/ optimistisch. Sie hat ein wenig einen Rock’n’Roll-Charakter. Probiere Sie einmal aus und höre Dir auch ihre Verwendung in den Beispielsongs an, die Du hier aufgelistet siehst.

In diesen Songs kommt diese Progression u.a. vor:

  • The Ballad of John and Yoko
  • La Bamba
  • Blueberry Hill
  • Great Balls of Fire
  • Surfin‘ USA
  • Twist and Shout
  • Walk of Life
  • Route 66
  • Hound Dog
  • I Second That Emotion
  • Lay Down Sally
  • Peggy Sue

Die Jazzkadenz: II-V-I

Wer sich im Laufe seines Lebens ein wenig mit Jazz befasst hat, wird sie kennen: die II-V-I-Verbindung. Aber nicht nur dort ist sie eine beliebte Progression. Auch die Pop- und Rockmusik nutzt sie natürlich häufig.

Von der Subdominant-Parallele der zweiten Stufe wird in dieser Progression auf die Dominante gesprungen. Der Hörer wünscht sich nun also eine Auflösung, die in Form der Tonika auch erfolgt.

Die II-V-I-Progression ist sehr gut für Song-Enden geeignet. Sie kann auch als Erweiterung eines V-I-Endes verwendet werden. Also immer dann, wenn Du am Ende einer Sektion von der V. auf die I-Stufe springst, kannst Du versuchen der V-Stufe noch die II-Stufe voranzustellen. Dadurch erzielst Du ein wenig Abwechslung und erreichst manchmal ein unerwartetes Moment vonseiten der Hörer.

Songs wie „Autumn Leaves“ oder „Killing Me Softly“ benutzen die II-V-I-Verbindung auch direkt im Song und nicht nur am Ende. Da diese Lieder zu den absoluten Evergreens gehören, kann es nicht schaden, wenn Du einmal ausprobierst, auch einen Song mit einer II-V-I-Verbindung zu starten und dann zu schauen, wie Du weitermachen könntest.

In diesen Songs kommt diese Kadenz vor:

  • Autumn Leaves
  • I’d Really Love To See You Tonight
  • Killing Me Softly
  • It Never Rains In Southern California
  • The First Time Ever I Saw Your Face
  • Häufig in Enden wie z.B. bei „What a wonderful world“

Die abfallende Kadenz: VI-V-IV-III

Die VI-V-IV-III ist einfach eine abfallende Folge der Stufendreiklänge beginnend bei der sechsten Stufe bis zur Dritten. Sie kommt relativ häufig vor. Auch in Modifikationen und leichten Abwandlungen z.B. im Flamenco.

Auf die Tonika-Parallele folgt die Dominante und bringt den Hörer „von zu Hause weg“. Darauf folgt nun die Subdominante und die Dominant-Parallele, die beide nach Auflösung streben.

Wie alle Progressionen kann und soll auch diese abgewandelt werden. So folgt statt des Stufendreiklangs der III. Stufe häufig auch ein Dur-Dreiklang mit kleiner Septime. Was in unserem Beispiel unten statt des „Em“-Akkords ein „E7“-Akkord wäre. In dieser Form kommt die Progression zum Beispiel im Evergreen „Hit The Road Jack“ oder „Caliornia Dreamin'“ vor. Also Grund genug, um sich auch mal an diese Progression zu wagen und einen Song mit ihr zu schreiben.

In diesen Songs kommt diese Progression vor:

  • Love Song (The Cure)
  • Like A Hurricane
  • Staring at the Sun
  • Like Toy Soldiers

Mit Dur-Akkord statt Moll in der III. Stufe:

  • Hit The Road Jack
  • Hallelujah (Deep Purple)
  • California Dreamin‘

Die Krebsgang-Kadenz: I-IV-I-V

Diese Progression ist eigentlich eine Abwandlung der oben erwähnten „I-V-VI-IV“. Exemplarisch sei sie aber trotzdem an dieser Stelle erwähnt.

Auf den ersten Blick hat die I-IV-I-V-Progression nichts mit der „I-V-VI-IV“ zu tun. Durch Modifikation können wir diese Progression jedoch wie folgt aus der anderen herleiten:

Wir verschieben den Startpunkt bei der I-V-VI-IV, sodass sie erst beim dritten Dreiklang startet. Nun sieht die Progression so aus: VI-IV-I-V. Und klingt noch immer sehr gut. Die Ähnlichkeit zu unserer I-IV-I-V-Progression ist auf einmal nahe liegend. Wenn wir jetzt noch die Tonika-Parallele der VI-Stufe durch die eigentliche Tonika ersetzen, haben wir aus der VI-IV-I-V die hier vorliegende I-IV-I-V gemacht.

Die I-IV-I-V-Progression kommt relativ häufig vor und bietet sich immer dann an, wenn jeglicher Mollklang nicht vorkommen soll. Zum Beispiel bei beschwingter volkstümlicher Musik, bei Schlafliedern und so weiter. Viel Spaß beim Aus- und Herumprobieren.

In diesen Songs kommt diese Progression vor:

  • The Lion Sleeps Tonight
  • You Got What I Need
  • Littlest Birds
  • In the Company of Wolves
  • The Cake Sale
  • Your Wildest Dreams
  • Brown Eyed Girl
  • Der Mond ist aufgegangen